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Ostfriesisches Brauchtum

Die Ostfriesen sind ein kleines, Freiheit liebendes Volk, welches über die Jahre viele Bräuche und Traditionen hervorgebracht hat. Neben festen Ritualen an Feiertagen oder zu bestimmten Jahreszeiten (Ostern, Weihnachten, etc.) gibt es auch Bräuche, die sich am Lebenslauf der Menschen orientieren (Taufe, Hochzeit, …). Wir möchten Ihnen in diesem Artikel einen kleinen Überblick über typisch ostfriesische Bräuche und Traditionen geben.

Neeijahrskoken (Neujahrskuchen)

In der Weihnachtszeit werden in vielen ostfriesischen Haushalten Neujahrskuchen gebacken. Wesentliche Bestandteile dieses knusprigen Gebäcks, welche gerne um die Jahreswende gereicht werden, sind Anis bzw. Kardamom und natürlich Kluntjes. 

Schöfeln (Schlittschuh laufen)

Sobald die Ostfriesischen Wasserläufe gefroren sind, hält es die wenigsten Ostfriesen im Haus. Die Schlittschuhe werden aus ihrem Sommerschlaf geweckt und ab geht’s aufs Eis. Zu früheren Zeiten war es die einfachste und schnellste Möglichkeit, Freunde und Bekannte aus den Nachbardörfern zu besuchen. Im Mittelalter wurden die Schlittschuhe aus Fußknochen von Rindern gefertigt, welche mit Lederriemen an den Schuhen festgeschnürt wurden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Breinermoorer (Breinermöörkes) in der Gemeinde Westoverledingen erfunden und produziert. Diese aus Metall hergestellten Schlittschuhe konnten unter jeden Schuhtyp und jede Schuhgröße geschnürt werden, was der Popularität des Schöfelns einen weiteren Aufschwung verlieh.

Eiertrüllen/Eiersmieten (Eierrollen/Eierwerfen)

Hier handelt es sich um einen Brauch, welcher zu Ostern in ganz Ostfriesland (und wahrscheinlich auch darüber hinaus) zelebriert wird. Die hart gekochten Ostereier werden beim Eiertrüllen von kleinen Hügeln gerollt. Ziel bei diesem kleinen Wettkampf ist es, das Ei so weit wie möglich rollen zu lassen, ohne das es zerbricht. In Aurich wird dieser Brauch gerne an den "Eierbergen" im Wallinghausener Wald vollzogen. Das Eiersmieten ist eine Abwandlung dieses Brauchtums. Hierbei werden die Eier auf einer Wiese oder am Deich möglichst weit geworfen. Auch hier ist der Gewinner derjenige, dessen Ei am Weitesten geworfen wurde, ohne kaputt zu gehen. 

Tanz in den Mai

Der Tanz in den Mai sowie das Aufstellen eines Maibaums ist wohl in ganz Deutschland eine bekannte Tradition, soll hier aber trotzdem Erwähnung finden, da er in Ostfriesland mit besonderer Hingabe vollzogen wird. Der aus einem Birkenstamm bestehende Maibaum, wird einige Tage vor dem eigentlichen Aufstellen von freiwilligen Helfern mit Tannengrün, Birkensträuchern und buntem Papier zu einem stattlichen Maibaum verziert. Am 30. April wird er dann z.B. von der Dorfjugend an einem zentralen Ort aufgestellt. Das Aufstellen geschieht traditionell in Handarbeit mit langen Seilen, welche am Maibaum befestigt werden. Hier können die meist männlichen Helfer zeigen was in ihnen steckt. Nachdem der Maibaum fixiert wurde (er bleibt im Idealfall bis zum letzten Maitag stehen) wird mit leckeren Getränken, Grillwurst und Musik gefeiert. Fast jedes Dorf, jeder Ortsteil, jede Stadt und oft auch Sportvereine oder Nachbarschaften stellen an diesem Termin ihren Maibaum auf. Der Maibaum muss ab dem Moment des Aufstellens bis zum Sonnenaufgang am 1. Mai bewacht werden, indem mindestens eine Person der aufstellenden Gemeinschaft den Baum mit einer Hand berührt. Jede Maibaumgesellschaft hat nun das Recht, sich auf Raubzug zu den Nachbar-Maibäumen zu begeben. Schafft es die räuberische Mannschaft einem unbewachten Maibaum drei Spatenstiche zu verpassen, geht er in Besitz der Maibaumgesellschaft über. Diese darf den Baum nun mitnehmen und ihn auf dem eigenen Maibaumplatz aufstellen. Die beklaute Mannschaft hingegen hat das Recht, den gestohlen Maibaum auszulösen. Die Auslösesumme beschränkt sich meist auf ein Fass oder eine Kiste Bier. 

Bruudpad (Brautpfadlegen)

Diese Tradition ist überwiegend im Landkreis Aurich zu beobachten. Am Himmelfahrtsstag schmücken Kinder eine mit Sand gefüllte, flache Kiste mit Blumen und Moos zu kunstvollen Motiven. Oft sind traditionelle Motive wie Anker oder Herzen zu finden, jedoch werden auch häufig ostfriesische Wahrzeichen wie Leuchttürme, Schiffe oder historische Gebäude dargestellt. In einigen Gemeinden können diese kleinen Kunstwerke einer Jury vorgelegt werden, welche die schönsten Brautpfade prämiert. 

Martinisingen

Am frühen Abend des 10. Novembers ziehen die Kinder in der Region von Haus zu Haus und singen den Bewohnern ein Martinilied. Die meist kostümierten und mit Laternen ausgestatteten Kinder lassen sich für Ihre Gesangsdarbietung mit Süßigkeiten belohnen. In vielen ländlichen Gebieten gehen auch Jugendliche und Erwachsene in ihrer Nachbarschaft Martinilaufen. Statt Süßigkeiten gibt es dann meist einen ostfriesischen Schnaps. Hier die erste Strophe eines der bekanntesten ostfriesischen Martinilieder:

Mien lütje Lateern, ik hebb di so geern. Du tanzt dör de Straten. du kannst dat nich laten. ik mutt mit di loopen. mutt singen un ropen. Mien lütje Lateern, ik hebb di so geern.

Puppvisit (Kinderbesuch)

Eine besondere ostfriesische Spezialität wird von frisch gebackenen Eltern serviert: Der Kinnertöön oder auch Bohntjesopp genannt. Hierbei treffen die werdenden Eltern schon vor der Geburt die Vorbereitungen. In einer Art Rumtopf aus Steingut werden Rosinen und Kluntje in ostfriesischen Branntwein eingelegt. Nach der Geburt besuchen Nachbarn, Freunde und Bekannte die junge Familie, um zur Geburt zu gratulieren und das Neugeborene in Augenschein zu nehmen. Zu dieser Gelegenheit wird jedem Gast ein Glas Bohntjesopp (Kinnertöön) eingeschenkt. Mit dem Spruch „Nu will wi dat Kind even pissen laten“ lässt man  das neugeborene Kind hochleben und es wird mit dem Kinnertöön angestoßen. Heute wird die Bohntjesopp auch auf Hochzeiten oder zu Richtfesten gereicht. 

Bogen machen/Bogen bringen

Zu den größeren Ereignissen im Lebenslauf eines jeden Ostfriesen wird von Nachbarn oder Freunden ein Bogen geschmückt und dem Jubilar an die Haustür gehängt. So gibt es einen Bogenschmuck z.B. zum Einzug in ein neues Haus, zur Kindsgeburt, zur Hochzeit (hölzerne Hochzeit, Silberhochzeit, Goldene Hochzeit, …) oder auch zu runden Geburtstagen. Die meisten Bögen bestehen aus einem Holzrahmen welcher mit Tannengrün, Papierblumen und einem Hinweis auf das zu feiernde Ereignis behängt ist. Der Bogen wird von der Bogengemeinschaft am Türrahmen befestigt und der/die Jubilare werden mit einem Lied aus dem Haus gebeten. Daraufhin wird direkt vor Ort an alle Beteiligten ein Schnaps ausgeschenkt. Im Anschluss werden alle Gäste ins Haus oder in den Garten eingeladen und es wird gefeiert.

25. und 30. Geburtstag

Unverheiratete Männer und Frauen bekommen zu Ihrem 25. Geburtstag eine Girlande welche entweder mit Schachteln (Frauen) oder mit Socken (Männer) behangen wird. Diese Girlande wird gut sichtbar an der Haustür oder im Garten befestigt. Die Frauen werden hiermit öffentlich als „alte Schachteln“ und die Männer als „Alte Socken“ verunglimpft. Sind die Betroffenen bis zu Ihrem 30. Geburtstag noch nicht verheiratet, kommt ein weiterer Brauchtum zum Tragen. Die Männer und Frauen werden verkleidet (hier sind der Fantasie bzw. der Gemeinheit des ausrichtenden Freundeskreises keine Grenzen gesetzt) und anschießend an einen öffentlichen Platz geführt (Rathaus, Kirche, …). Die Männer haben nun die Aufgabe, die zuvor mit Kronkorken beworfene Treppe des entsprechenden Gebäudes sauber zu fegen. Dies geschieht so lange bis sich eine Jungfrau aus der Zuschauerreihe bereit erklärt, das Geburtstagskind frei zu küssen. Die Frauen müssen als Strafe für Ihre Ehelosigkeit Klinken eines öffentlichen Gebäudes putzen, bis sie von einem jungen Mann frei geküsst werden. Meist wird dieses Spektakel mit reichlich Bier und Schnaps gefeiert.