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Katze Trudi

Seit vier Jahren arbeitet Katze Trudi bei Optik Lenk in der Burgstraße in Aurich. Ihre Aufgabe: Kunden begrüßen und sich von Kindern streicheln lassen, während deren Eltern Brillen aussuchen. Ihre Zutraulichkeit wurde Trudi aber schon mal zum Verhängnis. „Wir mussten sie nicht einarbeiten. Sie hat von Haus aus alle Fähigkeiten mitgebracht“, sagt Geschäftsinhaberin Elke Lenk, die nach eigenen Angaben nur darauf wartet, dass jemand anruft und die Katze sprechen will. Trudi ist die Einzige, die während der Arbeit schlafen darf. Als Ausgleich ist ihr Lohn gering: Katzenfutter und Streicheleinheiten. Kaufen kann sie sich davon nichts. Nicht einmal eine Mausepfote. Und das, obwohl sie gefährlich lebt: Vor drei Jahren wurde die Katze „gecatnappt“, wie Elke Lenk sagt. Draußen fror es bei minus elf Grad Celsius, auf dem Marktplatz drängten sich die Weihnachtsmarkt-Besucher. Und Trudi? Verschwunden. „Wir haben gesucht, gesucht, gesucht“, sagt Elke Lenk. „Aber sie war weg.“ Die Optikerin hängte Plakate auf, startete einen Aufruf bei Radio Ostfriesland. Dann die Erleichterung, Elke Lenk bekam ihre Katze wieder. „Seitdem lässt sie sich draußen von niemandem mehr anfassen, nicht einmal mehr von mir“, sagt die Optikerin. Im Laden allerdings schmiegt Trudi sich gern an andere an. Das ist ihre Hauptbeschäftigung: Sie lässt sich von Kindern streicheln, während deren Eltern in Ruhe eine Brille aussuchen können. Trudi ist die Erste, die ihre Stammkunden begrüßen. Viele bringen Futter oder Spielzeug mit. Irgendwie muss die Katze ihr schmales Gehalt ja aufbessern. Am liebsten beaufsichtigt Trudi im Büro die Finanzen. „Ich verstehe das gar nicht“, sagt Elke Lenk. „Ich muss nur das Wort ‚Büro‘ sagen, und schon saust sie los.“ Sobald Elke Lenk am Computer sitzt, rollt Trudi sich auf ihrem Schoß zusammen. „Wir haben sie mehrfach im Büro eingeschlossen, weil sie sich hineingeschlichen hatte.“ Die Kasse im Laden bedient Trudi mit ihren Pfoten. Sie trabt einfach über die Tasten, drückt hierhin und dorthin. „Dann piept alles“, sagt die Optikerin, die den Laden seit 1997 führt. Meistens muss sie von vorne abrechnen. Gern hockt Trudi auf dem Tresen neben der Kasse. Von dort hat sie den besten Überblick. „Die Standardfrage lautet: ,Oh, ist die Katze echt?‘“, sagt Elke Lenk und lacht. Oft beobachtet Trudi durch das Schaufenster Hunde, die durch die Burgstraße flanieren. Oft liegt sie in der geöffneten Tür. „Sie ist unser Türsteher“, sagt die Optikerin. „Wäre sie ein Schäferhund, würde jeder sagen, dass das unser Wachhund ist.“ Eine Sache gibt es allerdings, die Trudi nicht beherrscht: Kunden beim Brillenkauf beraten. „Sie hat vom Boden eine zu schlechte Sicht“, sagt Elke Lenk. „Da weiß sie gar nicht, wie eine Brille im Gesicht wirkt. Aber das macht nichts, sie ist für andere Aufgaben zuständig.“

Von Maria Berentzen, OZ Online vom 16.04.2014